25.07.23

Mittelspannungsanlagen mit ohne SF6

Mittelspannungsanlagen mit / ohne SF6

Die elektrische Energieversorgung von vielen Standorten erfolgt über sogenannte Mittelspannungsanlagen. Der Aufbau von diesen hat über die letzten 50 Jahre wesentliche Änderungen erfahren. Die Nutzung von Schwefelhexafluorid (SF6) gehört auch dazu. Die Klimaschädlichkeit von SF6 wird vielleicht in Zukunft die Errichtung von Mittelspannungsanlagen ohne SF6 erfordern. Entsprechendes Regelwerk ist in der Entwicklung und wird von uns - von mir und unserem Fachdozenten, Herrn Güven Narin von NARIN ENGINEERING - im 1.Halbjahr 2023 erwartet. In dieser Ausgabe werden wir deshalb zu der Entwicklung von Mittelspannungsanlagen und den Eigenschaften von SF6 schreiben. Im Herbst werden die Themen Betrieb von SF6-Anlagen bzw. Neuerrichtung von Anlagen ohne SF6 behandelt. Auf diese Weise wollen wir Sie unterstützen hinsichtlich des Weiterbetriebs von Mittelspannungsanlagen mit SF6 und der Neuausrichtung auf neue Mittelspannungsanlagentypen. In den aktuellen gültigen VDE Anwendungsregeln, welche Grundlage für die technischen Anschlussbedienungen der Netzbetreiber darstellen, wurden die Netze und deren Bezeichnungen übernommen. Dabei umfasste die Mittelspannung Bemessungsspannungen von 1kV bis 52 kV. Reste dieser Einteilung finden Sie noch in der VDE 0671-200 „Hochspannungs Schaltgeräte und -Schaltanlagen - Teil 200: Metallgekapselte Wechselstrom-Schaltanlagen für Bemessungsspannungen über 1 kV bis einschließlich 52 kV". Anstatt den Begriff „Hochspannungsanlagen mit Bemessungsspannungen von 1kV bis 52 kV" wollen wir in diesem Artikel weiterhin den Begriff „Mittelspannungsanlagen" nutzen, da er uns kürzer und griffiger erscheint. 

Die ersten Mittelspannungsanlagen wurden in offener Bauweise erstellt. Kabelanschluss, Verbindungen, Trennschalter, Leistungsschalter und Sammelschienen waren durch Balken oder Türen lediglich abgeschrankt. Probleme:
  1. kaum Schutz vor äußeren Einwirkungen (Kleintiere, Staub, Feuchtigkeit)
  2. großer Raumbedarf 
  3. im Fehlerfall - Lichtbogen - war mitunter ein ganzes Abgangsfeld wenn nicht gar die ganze Anlage betroffen
  4. für die Personen gab es beim Schalten vor Ort keinerlei Schutz vor dem Lichtbogen 
Metallgekapselte, luftisolierte Mittelspannungsanlagen lösten gleich die ersten drei der oben genannte Probleme. Durch spezielle Schottung konnte der eventuelle Fehler räumlich begrenzt werden.
Gegen die Lichtbogengefährdungen konnte man, wenn man den Mehrpreis bezahlen wollte / konnte, Anlagen installieren lassen, die sog. „Pehla-Prüfungen“ nach VDE 0670 Teil 6 bestanden. Inzwischen schreibt die Errichternorm VDE 0101-1:2014-12 im Punkt 8.5. „Schutz vor Gefährdungen durch Störlichtbogen“ unter der Position den Einsatz von „Anlagen, die gegen innere Lichtbogenfehler geprüft sind, anstelle von Anlagen in offener Bauweise (z.B. IEC 62271-200, IEC 6227-203)“ vor. Etwa zur gleichen Zeit in den 1990-ern, als die ersten Anlagen mit „Pehla-Prüfung" verkauft wurden, etablierten sich auch Mittelspannungsanlagen mit Schwefelhexafluorid (SFS) als Isolierstoff (statt Luft).
Durch diese verminderte sich der Raumbedarf noch einmal wesentlich. Mittelspannungsanlagen werden mittlerweile nach der VDE 0671-200:2012-08 gebaut. Etwa zur gleichen Zeit in den 1990-ern, als die ersten Anlagen mit „Pehla-Prüfung" verkauft wurden, etablierten sich auch Mittelspannungsanlagen mit Schwefelhexafluorid (SFS) als Isolierstoff (statt Luft). Durch diese verminderte sich der Raumbedarf noch einmal wesentlich. Mittelspannungsanlagen werden mittlerweile nach der VDE 0671-200:2012-08 gebaut. 

Was hat aber die Nutzung von SF6 für Vor- und Nachteile mit sich gebracht? Zu den positiven Eigenschaften von Schwefelhexafluorid SF6 gehören:
  1. Isolation (Durchscn 1 agsfestigkeit 3 x höher als in Luft)
  2. Lichtbogenlöschung (100 x schneller als in Luft)
    • kompakte Bauweise 
    • unabhängig von Umgebungseinflüssen (Staub/ Luftfeuchte)
    • sicherer Betrieb - SF6 ist inert (reaktionsarm) und etwa fünfmal schwerer als Luft
    • aufgespaltenes SF6-Molekül rekombiniert (wenn keine anderen Reaktionspartner vorhanden sind) 

Zu den Wirkungen von SF6 auf den Menschen sind folgende Merkmale zu erwähnen:
  • reines SF6 ist ungiftig und nicht brennbar 
  • reines SF6 ist mit menschlicher Sensorik nicht erfassbar 
  • Laminare Ausströmung: SF6 sinkt auf den Boden Erstickungsgefahr durch Sauerstoffverdrängung 
  • Turbulente Ausströmung: SF6 vermischt sich mit der Umgebungsluft 
  • Praktisch keine Entmischung trotz hoher Dichte 
  • Aufgespaltene SF6-Anteile können mit anderen Redaktionspartnern (Metalle, Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff) giftige und ätzende Produkte bilden 
  • Teile schwefelhaltiger Verbindungen riechen stark („faule Eier“) 

Expertenwissen dazu erhalten Sie in unseren Seminaren: - 04-11 „ Schaltberechtigung von 1-36 kV“
  • 04-39 „Wiederkehrende Unterweisung für Schaltberechtigte von 1 - 36 kV Praxisseminar“
  • 04-68 „Aufbau und Betrieb von Schaltanlagen über 1 kV“ - 04-134 „Instandhaltung von Trafostationen und Schaltanlagen über 1 kV“ 

Ein Auszug auf der VEFK aktuell 01/2023

Wolfgang Schwinn
Senior Consultant
TÜV Saarland Bildung + Consulting GmbH 

Peter Neu
Senior Consultant
TÜV Saarland Bildung + Consulting GmbH